Im Schweizer Hinterland, in einem kleinen Dorf, bin ich aufgewachsen und wurde fromm erzogen. Meine Kindheit verbrachte ich grösstenteils in der Freikirche und der Jungschar. Mit 21 Jahren habe ich geheiratet und bin nach Bern gezogen. Dort suchten wir uns eine neue Freikirche und wurden schliesslich in einer neocharismatischen Gemeinde fündig. Mich faszinierte die Theologie, weil ich mit vielem, was wortwörtlich in der Bibel steht, nichts anfangen konnte.
So begann ich ein Theologiestudium und wurde als Praktikant in der Freikirche angestellt. Mit der Zeit fühlte es sich jedoch so an, als würde ich in zwei Welten leben. Das Studium empfand ich als befreiend, während mich die freikirchliche Struktur zunehmend einengte. Solange ich jedoch theologisch auf der fundamentalistischen Linie blieb, standen mir alle Türen offen. Ich schaffte es bis in die Gemeindeleitung und durfte regelmässig predigen.
Doch innerlich begann mich dieser Konflikt immer mehr zu zerreissen. Ich konnte mich nicht länger einer fundamentalistischen Theologie verschreiben und begann, zunehmend liberalere Positionen zu vertreten. Ab diesem Moment begann der Widerstand. Für das fundamentalistische System wurde ich zum Problem. Mein Glaube wurde mir immer wieder, direkt oder indirekt, abgesprochen. Menschen beschwerten sich bei der Gemeindeleitung darüber, dass ich ein Problem darstelle, und es wurde Druck ausgeübt, dass alle prägenden Figuren der Kirche sich hinter die fundamentalistischen Glaubenssätze stellen mussten – insbesondere in den Bereichen der Sexualethik und des Bibelverständnisses.
Ich konnte mich weder mit der Vorstellung eines verbal inspirierten Wortes Gottes identifizieren, noch sah ich Homosexualität als Sünde. Als Konsequenz wurde ich aus der Leitung gedrängt und erlebte eine starke Ausgrenzung, während Sonntag für Sonntag von „wir als Familie“ gepredigt wurde. An Doppelmoral kaum zu überbieten.
Erst als ich mich immer weiter von dieser Kirche entfernte, erkannte ich, dass es im Fundamentalismus kein Spektrum von liberal bis konservativ gibt. Es gibt nur richtig und falsch, Fundamentalismus oder Verderben. Was ich zuvor als konservative Meinungen verstanden hatte, entpuppte sich als intoleranter Fundamentalismus.
Heute arbeite ich in der evangelisch reformierten Landeskirche und bin glücklich über die gelebte theologische Vielfalt, die mir dort begegnet. Ich bin froh, konnte ich mich doch aus der Freikirche befreien und habe Freude an der Diskussion von konservativ bis liberal.
/Marco
Hier geht es zum Beitrag auf Instagram.