Demut und Gehorsam

Demut und Gehorsam. Zwei der zentralen Begriffe aus meiner Zeit in stark gläubigen Kreisen.

Demütig zu sein habe ich immer so verstanden, dass der Mensch verstehen soll, wie groß und mächtig Gott im Gegensatz zu ihm doch sei. Gott habe alles und jede:n geschaffen und vor Schöpfung und Geschöpfen solle man sich daher nicht so wichtig nehmen. Man solle bereit sein, den Kürzeren zu ziehen.

Dabei stelle ich vor allem rückblickend fest, wie sehr mich dieses Konzept von Demut und bedingungslosem Gehorsam verunsichert hat. Vielleicht habe ich es auch grundsätzlich in den falschen Hals bekommen, jedoch fiel es mir immer schwer, darin so aufzugehen. Ich hatte ständig Angst, ich wäre selbstsüchtig, wenn ich Bedürfnisse hatte und war unsicher sie anzusprechen gar einzufordern. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir etwas gönnen wollte und meine Träume beäugte ich kritisch – wer weiß schon, ob es auch Gottes Träume sind!

Was ich heute weiß ist, dass nichts besser und gesünder für mich ist, als gut für mich zu sorgen und mündig zu sein.

Sicherlich ist es gut, einen gewissen Grad an Selbstlosigkeit an den Tag zu legen. Meines Erachtens birgt es jedoch eine große Gefahr, wenn Demut und Gehorsam zu den wesentlichen Bestandteilen des Glaubens und schließlich zum Lebensstil werden. Strikter Gehorsam wird als gottgefällig gesehen. Als Christ:in möchte man Gott gefallen und gehorchen. Was aber, wenn man Zweifel hat? Zweifel daran, ob man das überhaupt so möchte? Das kann große, schmerzhafte Konflikte schaffen, denn Gott ist doch perfekt und heilig! Der eigene Wille sollte eine untergeordnete Rolle spielen, so habe ich es gelernt und gelebt. Ich lehne dies jetzt ab – es ist einfach ungesund! Ich will mich nicht so klein mit Hut fühlen. Wenn ich nicht glauben und fühlen darf, wie es meine Person eben tut, dann muss ich diese Konzepte ablegen.

Außerdem: Wer gibt vor, wem oder was ich konkret gehorchen soll? Die Lehre der Bibel? Oh, über die Bibel gibt es so viele unterschiedliche Verständnisse wie Sand am Meer. Also soll ich der Lehre der Gemeinde gehorchen? Oh, da gibt es auch sämtliche Gemeinderichtungen – die Christ:innen sind sich untereinander nicht mal einig. Soll ich auf mein Herz hören? Das wird auch schwierig, denn „trügerisch“ sei es (Jeremias 17, 9). Und weil das so ist, soll ich demütig vor Gott sein.

Diese Gedanken und mein mangelhaftes Selbstwertgefühl führten dazu, dass ich gerade den Leuten mit hierarchischer Autorität in der Gemeinde mehr vertraut habe als mir selbst. Einfach weil ich dachte, das wäre diese Demut und dieser Gehorsam, wovon alle sprachen. Natürlich heißt es auch „prüfet alles und behaltet das Gute“, aber sind wir doch mal ehrlich: Gemeinden, die ein fundamentalistisches Verständnis von der Bibel haben, meinen doch, genau zu wissen, was die Bibel sagt. Und alles was abweicht… …das ist Sünde. Sündigen, das möchte man doch nicht. Also doch besser demütig und gehorsam sein? Nein danke, das ist nichts mehr für mich.

anonym

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