Der Mensch ist böse von Geburt an. Heute finde ich Liebe da, wo ein Mensch mehr wert ist als ein Prinzip.

Kürzlich war ich mit meinem Sohn in den Bergen wandern. Wir sind auf einer Alm eingekehrt, haben etwas bestellt und als ich bezahlen wollte, stellte ich fest, dass ich zu wenig Bargeld dabei hatte.

Die Wirtin hat lächelnd gesagt, dass ihr das auch schon mal passiert wäre und hat mir das, was ich nicht hatte, erlassen. Eine mir völlig unbekannte Frau gab mir dann noch zehn Euro für die nächste Alm. Ich versprach, ihr es per PayPal zu schicken, sobald ich wieder Internet hatte.

Am Abend lag ich im Bett und fragte mich, warum mich so viel Mitgefühl und Hilfsbereitschaft immer noch überrascht.

Ich bin aufgewachsen in dem Glauben, der Mensch ist böse, böse von Geburt an. Ich bin aufgewachsen in dem Glauben, die Welt ist böse. Und auch in dem Glauben, in die einzig richtige Gemeinde zu gehen. Lange Zeit hing in meinem Elternhaus das Bild vom „breiten und schmalen Weg“, was ziemlich deutlich macht, wo sich „gute, weil ernsthaft gläubige Menschen“ und der Rest der Menschheit befinden. Als Kind habe ich das Lied gesungen: „Pass auf kleines Auge“.

Und dann erinnere ich mich, wie manche Christ:innen mit mir umgegangen sind und immer noch umgehen.

Ich werde als Irrlehrerin bezeichnet, von Menschen, die ihren Kindern das Entschuldigen beibringen, mir aber sinngemäß sagen, ich soll mich nicht so anstellen. Mir wird „gewünscht“, dass ich „den Weg zurück finde“, ohne dass jemals ein Gespräch über meinen Weg stattgefunden hat. Erzähle ich von meinem Erlebten innerhalb von Gemeinden, wird gesagt: „Es sind nicht alle so“, was für mich ungefähr das gleiche ist wie „Es kommt nur auf deine Ansprüche an“. Man will sich die tragischen Geschichten nicht anhören, weil man selber anderes erlebt hat. igentlich ist das das Gleiche, wie beide Augen zu zu machen oder in die andere Richtung schauen. Neulich sagte jemand zu mir: „Es müssten einfach alle wahre Christen werden“. Ich denke an Hillsong, an den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, an unzählige private Geschichten, und nicht zuletzt an Hexenverbrennung und Kreuzzüge und denke: „NEIN!“. Denn meiner allgemeinen Erfahrung nach und auch nach der oben beschriebenen finde ich Hilfsbereitschaft, Mitgefühl und vor allem Liebe da, wo ein Mensch mehr Wert ist als ein Prinzip.

Ulrike

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