Die Freiheit war ein Gefängnis

Content Note: Emotionale Manipulation

Mitleidig werde ich angesehen. „Hattest du auch eine Beziehung zu Gott? Bei uns in der Gemeinde ist es anders. Du kannst ja mal zu uns kommen. Du hast nur schlechte Erfahrungen gemacht, lass das nicht das Gute überschatten.“

Ich wurde in eine Freikirche geboren, meine Eltern sind oft umgezogen und ich habe verschiedene Formen der Freikirche erlebt. Ich habe alles von Anfang an ernst genommen und habe als Kind schon drüber nachgedacht, was ich wohl so Schlimmes gemacht habe, dass dafür jemand in den Tod gefoltert wurde. Ich habe unter dieser Schuld alles getan, um das wiedergutzumachen. Für jeden schlechten Gedanken habe ich mich verurteilt und so sehr versucht, das alles wegzubeten. Ich habe mich mit zwölf Jahren taufen lassen, mit 16 Jahren habe ich Gott mein Leben gegeben und bin in die Mission gegangen. Ich habe ihn geliebt und alles getan was ich dachte, er mir aufträgt. Als mir die Missionsgesellschafft sagte, dass mein Freund kein „richtiger Christ“ sei und sie keinen Frieden darüber hätten, habe ich Schluss gemacht. Ich habe 70 Stunden die Woche für die Gemeinschaft gearbeitet und kein Geld dafür bekommen. Sie haben mir sogar noch Schulden zugeschrieben für das Vierbettzimmer in dem ich schlafen durfte und das Essen, das für alle zubereitet wurde. „Gott wird schon versorgen. Hab Vertrauen. Zweifel nur nicht.“ Ich habe vergessen aufs Klo zu gehen, weil ich keine Zeit hatte, habe nicht mehr gegessen, weil ich so viele Schulden bei der Organisation hatte und niemals „Nein“ zu meiner Leitung gesagt. Bis ich körperlich am Ende war.

Zum Glück habe ich meinen Freund vermisst und gemerkt, dass ich ihn liebe, auch wenn Gott das nicht von mir möchte. Das war meine erste Entscheidung gegen die Beziehung zu Gott und die erste Entscheidung für mich. Mit 21 Jahren bin ich ausgestiegen und seitdem rücke ich jeden Tag ein bisschen weiter vom Glauben weg und ein bisschen näher an mich ran. Jetzt bin ich 32 und fühle mich endlich frei. Ich bin seit elf Jahren mit meinem Freund  verheiratet und habe zwei tolle Kinder.

Doch wenn ich jemanden aus einer Freikirche treffe und in ein Gespräche verwickelt werde, in dem ich sage, dass ich früher in einer Freikirche war und nicht mehr teil sein möchte, ernte ich mitleidige Blicke und Erklärungen, warum ich Gott nicht richtig verstanden habe.

Doch ich habe alles verstanden. Die Freiheit, die mir versprochen wurde, war für mich ein Gefängnis.

/ anonym

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