Die Sache mit der Freiwilligkeit in Freikirchen

Erfolgreich eingepflanzt. 

„Aber es hat dich doch niemand gezwungen.“

Warum mich dieser Satz am meisten verunsichert. 

Neben den sehr offensichtlich konservativen Gemeinden gibt es auch einige Freikirchen, die versuchen, mit der Zeit zu gehen. Die Gottesdienste sind hip, die Mitglieder haben auch Kontakt zu „weltlichen“ Menschen. Es wird in diesen Gemeinden mittlerweile als gut angesehen, wenn man auch Freund:innen außerhalb der Blase hat, denn die sorgen für den nötigen Einblick in die „weltliche“ Welt. Menschen, die sich in ihrem Glauben stark fühlen, können diesen auch vor weltlichen Freund:innen verteidigen. Außerdem kann man dort „wahre Liebe für den Sünder“ praktizieren. 

Ich war genau so jemand. Immer schon stark in meinem Glauben an einen guten Gott. Ich habe mich wenig davon unter Druck setzen lassen, dass es eine Hölle gäbe und hatte so gar nicht das Gefühl, dass Gott zwischen Menschen in irgendeiner Form unterscheidet. Dennoch bin ich vom evangelikalen Wahn betroffen.

Kinderstunde, Jungschar, christliche Ferienlager, Bibelunterricht, christliche Lieder, christlicher Freundeskreis, christlicher Partner und sogar christliche Privatschule! Jeglicher Ausgleich zu meiner christlichen Erziehung hat gefehlt. Alles im Leben war christlich. Kein Sportverein, keine öffentliche Schule, keine unchristlichen Feriencamps. Zusätzliche Freundschaften außerhalb der Gemeinde pflegte ich kaum. Alles was unchristlich war hatte zumindest eine Grenze. Nichts war komplett verboten, aber es wurde auch nicht alles toleriert. 

Wer keine Wahlmöglichkeit hat, fühlt sich mit der Wahl die sie oder er hat vielleicht super. Das mag leichter scheinen, aber spätestens, wenn du mit mehr Wahlmöglichkeiten im Laufe des Lebens konfrontiert wirst, musst du im wahren Leben ankommen und merkst: Ich habe die Wahl und genau hier liegt meine Verantwortung!

Aber manchmal habe ich keinen blassen Schimmer, wie das gehen soll. Ich habe es nie gelernt. Entscheidungen werden dir, wenn du in fundamentalen Kreisen aufwächst, einfach abgenommen. Es scheint, als würde man dir damit helfen. „Gehe jeden Sonntag in die Kirche“, „Suche dir eine christliche Partnerin, einen christlichen Partner”. „Mach was Soziales“, „Führe eine Beziehung zu Jesus.“, „Habe deine Gefühle und Gedanken unter Kontrolle“, „Meide das, was die Kirche für ‚Sünde’ erklärt hat“, „Sei begeistert“, …

Im Ursprung nett gemeinte Ratschläge nehmen dir die wichtigsten Tools, die du zur Gestaltung deines Lebens hast: Deine Selbstständigkeit, dein Selbstvertrauen und deine Handlungsfähigkeit. 

„Ich möchte das so“ – Ich habe es aber auch nie anders kennengelernt.

„Es ist doch alles auf einer freiwilligen Basis. Ich hätte jederzeit aussteigen können. Warum habe ich dennoch das Gefühl, meiner Entscheidung beraubt worden zu sein?“

Nein! Es war keine freiwillige Basis. Mir wurde nur eine Option gegeben und das ist Manipulation! Mir wurde gesagt, dass ich mich freiwillig entscheiden kann, aber mir wurde signalisiert, dass es dabei „richtig“ und „falsch“ gibt. 

Und wenn du merkst, es geht auch ohne, tritt ein, wovor du dein Leben lang gewarnt wurdest: Du triffst andere Entscheidungen und gehst neue Wege. Dann hast du endlich gelernt, Verantwortung für deine Entscheidungen zu übernehmen.

Freichristlich aufzuwachsen bedeutet, in eine Abhängigkeit hineinzuwachsen.

Von Jojo (Instagram: @redefined_by_love)

Hier geht’s zum Beitrag auf Instagram