Draussen und auf der Suche

Der Ausstieg aus der Freikirche war sehr abrupt. Für mich als Kind von etwa elf oder zwölf  Jahren geschah es von einem Tag auf den anderen. Es war mein Vater, welcher diese Entscheidung für die Familie getroffen hatte. 

Für mich war die grosse Schwierigkeit, dass ich so auch den Kontakt zu meinem besten und einzigen Freund verlor. Der Wille, keinen Kontakt mehr zu haben, ging von mir aus. Für mich hatte der Kontakt zu diesem Zeitpunkt einfach keinen Sinn mehr ergeben. Einige Jahre später haben wir uns wieder gesehen. Doch auch das übrige soziale Umfeld war zu einem grossen Teil weg.

Zugute kam uns in dieser Zeit, dass wir mehr soziale Kontakte ausserhalb der Kirche hatten, als viele andere. Das Gefühl der kompletten sozialen Isolation kannten wir nicht. Dennoch waren die Emotionen heftig… Auf einmal waren viele Leute weg, mit denen wir wöchentlich Kontakt hatten.

Mein Bruder und ich gingen noch ein bis zwei Jahre in die Jungschar einer anderen Freikirche, die etwas weniger fundementalistisch war. Dort gab es nicht nur Bibelstunden wie in der alten Jungschar, sondern es war sehr ähnlich wie eine Pfadi1. Heute denke ich, dass diese Übergangszeit wichtig war. Es war kein absoluter Bruch. Bald fühlte es sich für mich nicht mehr stimmig an, dort zu sein und ich entschied mich auch aus der Jungschar auszusteigen 

Ein Teil von mir war weiterhin auf der Suche nach etwas “Grösserem”, an dem ich mich festhalten konnte. Buddhistische Ideen fand ich anziehend und ich beschäftige mich intensiv damit. Später in meiner Teenagerzeit habe ich dann Aleister Crowley und Sandoz LaVey gelesen. Schließlich fand ich in heidnischen Religionen für eine Weile etwas Ruhe. 

Was Heidentum und Crowley/LaVey für mich verband, war eine explizite Ablehnung des Christentums, ohne dass ich jede Form der Spiritualität gänzlich ablehnen musste. Und es waren Religionen, die ich stark mit Wut und Stärke assoziierte und die mir dadurch eine Form von Kontrolle über mein Leben gaben.

Dies war bis zu meinem 25. Lebensjahr wichtig für mich. Doch sollte ich jemals wirklich an etwas “Übernatürliches” geglaubt haben, dann wurde das immer schwächer. Als ich dann die Uni besuchte, hörte der Glaube an etwas Grösseres komplett auf. Dennoch trug ich meinen Mjölnir (Heidnisches Symbol) bis vor wenigen Jahren. Irgendwie auch als Erinnerung an eine Zeit, in der Religion für mich wichtig war und als eine Erinnerung, welchen Einfluss Religion auch auf mich haben konnte.

Was ich aus dem Teil meiner Geschichte lerne, ist, dass sich Gewohnheiten nicht ohne Weiteres ablegen lassen. Ich habe mich jahrelang an den Gedanken gewöhnt, dass da etwas “Grösseres” sein muss. Ich denke, für die Gesellschaft ist es wichtig, dass wir das Gegenteil normalisieren. Nämlich, dass wir gut ohne Gottheit durchs Leben kommen und wirklich Verantwortung für alles übernehmen, was wir als Gesellschaft ganz alleine verursachen.

Fussnoten:

  1. Gruppe von Pfadfinder*innen ↩︎

/Jonas

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