Kann ich (noch) mit euch sein?

„Kann ich (noch) mit euch sein?“ – Die Frage, die ich mir seit geraumer Zeit stelle.

So viel Zeit, Schmerz und Anstrengung hat es mich gekostet, aus den vorgefertigten Bahnen auszubrechen. Mir selbst einen Weg zu suchen. Und ich bin immer noch dabei. Manchmal fühlt es sich so an, als würde ich nach wie vor erst die kleinsten Schritte wagen können, um tief verwurzelte Überzeugungen in mir überhaupt in Frage zu stellen. So oft hat mein ganzes System mit Überforderung und Krankheit darauf reagiert. Immer wieder habe ich mich aufgerappelt, hingeschaut und dafür hart gearbeitet, dass es mir besser geht.

Und nun, nach all den Jahren, stelle ich mir zum ersten Mal wirklich ernsthaft die Frage: „Kann ich noch mit euch sein?“

Ich liebe euch. Ihr seid meine Familie. Ich denke an schöne Erinnerungen aus den letzten Jahren zurück, aber auch aus der Zeit meines Aufwachsens. Momente, in denen wir gelacht haben, Spaß hatten. In denen es schön war und ich gute Gefühle und Gedanken mit euch verbinde.

Aber dann fällt mir wieder ein, warum mich jene Frage quält: Eure Gedanken und Werte, Überzeugungen vom Leben und den Menschen. Auch wenn sie nur noch selten zum Thema zwischen uns werden, so weiß ich oder kann es mir erschließen, wie ihr zu ihnen steht. Die Überzeugung vom Sündenfall, der notwendigen Vergebung der uns Menschen innewohnende Sünde und all die anderen Anschauungen, die auf der Bibel fußen. So vieles, was euch und mich trennt.

Und auch, wenn ihr es nicht laut aussprecht, so weiß ich um euer Urteil. So vieles, was ich nicht laut ausspreche und preisgebe, aus Angst vor eurem Urteil. 

Und so frage ich mich erneut: „Kann ich noch mit euch sein?“ 

Kann ich noch mit euch sein in dem Wissen, wie ihr menschliches Verhalten in gut und böse unterteilt? Wie ihr meint zu bestimmen, was richtig und falsch ist im menschlichen Sein?

Ihr seid nicht die furchtbarsten Menschen. In so vielen Momenten seid ihr freundlich, zugewandt, helft und unterstützt. Aber unter dem Deckmantel sind weitere Seiten, die meinen Werten zutiefst zuwiderlaufen. Trotzdem zweifle ich eher an mir als an euch und frage mich, ob ich euch unrecht tue? Ist meine Wahrnehmung verquer? Bin ich vielmehr das Problem?

Und so quält mich meine Frage weiter, bis ich auf sie eine Antwort finde; ob ich den Preis zahlen kann, um ein Teil von euch zu sein.

Anonym

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