Nach mehr als 20 Jahren als evangelikaler Christ, fand ich mich auf einmal mitten in einer Dekonstruktion wieder, noch lange bevor ich von diesem Wort gehört habe.
Heute bin ich Agnostiker und suche sowohl im Atheismus, als auch in den vielen Berichten und Überlieferungen nach dem Ursprung des Göttlichen.
Als ich mich vor kurzem in einer Prüfungs- und Wettkampf-Situation wiedergefunden habe, war ich auf einmal wieder mit den alten Mustern konfrontiert.
1. Ich hatte keinen Beter:innen-Kreis eingerichtet, der mich wochenlang begleitet, nicht gefastet oder besonders aufmerksam auf mögliche Sünde verzichtet, um Gott nicht auf den letzten Drücker zu enttäuschen.
2. Die schwere Krankheit meiner Tochter im Vorfeld war kein Angriff des Teufels, sie wurde krank und auch wieder gesund. Darüber war ich besorgt und auch wieder froh.
3. An Stelle von Bibelversen bekam ich eine Zigarette und einen Sekt mit auf den Weg – überreicht von meinen Freund:innen und nicht von Brüdern und Schwestern.
4. Die Bahn kam pünktlich, obwohl sie nicht „dem Herrn anbefohlen“ war.
5. Die Prüfung wurde bestanden, obgleich ich wie zu christlichen Zeiten, weder der Letzte noch der Erste war.
6. Und meine katastrophale Heimreise mit der Bahn war auch keine Strafe Gottes für meine Rebellion, sondern einfach nur ein Schicksal, welches ich mit tausenden anderen Reisenden geteilt habe.
Der ganze Prozess war so ganz unchristlich und gleichzeitig so wunderbar entspannt und unkompliziert.
Was ich manchmal dennoch vermisst habe und immer noch vermisse, ist das omnipräsente Gegenüber, das alle meine Gedanken kennt, zu jederzeit alles versteht und mir das Gefühl gibt, nicht alleine zu sein.
Das Vergangene und Christliche habe ich erlebt, gelebt und geliebt; gerne und freiwillig wähle ich jedoch das Nichtchristliche, was ist und vor mir liegt.
Wolfgang
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