Content Note: Erwähnung von Purity Culture
Ich bin von klein auf in Freikirchen aufgewachsen. Mit diesem Text möchte ich niemandem die Schuld geben, gut möglich, dass ich etwas „falsch” verstanden habe – und doch: Wenn es um die Themen Beziehung, Liebe und Sexualität geht, habe ich mich nie wirklich frei gefühlt. Ich hatte ständig Angst, etwas falsch zu machen und eine “wertvolle Beziehung” für meine eigenen Wünsche zu missbrauchen.
Als ich mit 22 Jahren meine Frau kennenlernte, hatte ich ständig starke Gewissensbisse: Ist sie wirklich „die Eine“, die Gott für mich vorgesehen hat? Diese Zweifel waren so präsent, dass ich die Beziehung mehrfach beenden wollte. Nur mein Herz sagte immer wieder: „Bleib dran.“ Zum Glück hatte meine Frau eine offenere Sichtweise als ich und unglaublich viel Geduld mit mir. Die anfängliche Verliebtheit konnte sich kaum entfalten – stattdessen wurde unsere Beziehung von Anfang an von meinen inneren Kämpfen und Unsicherheiten begleitet.
Da es in meinem Weltbild nur die Ehe gab – und Sexualität davor nicht erlaubt war – entschied ich mich nach fünf Jahren Beziehung und einer Beziehungspause direkt für die Heirat. Doch die Gewissensbisse, ob das wirklich „richtig“ war, verschwanden erst ein bis zwei Jahre nach der Hochzeit. Im Nachhinein muss ich sagen: Ich war damals eigentlich noch gar nicht bereit, zu heiraten. Aber einfach mal gemeinsam unterwegs sein, sich ausprobieren und kennenlernen – das war nicht angebracht in unserem Umfeld.
Leider hatte auch meine Frau von klein auf gelernt, dass Sexualität „etwas Schlechtes“ sei. Sie konnte sich nie wirklich frei entfalten – schon gar nicht in jungen Jahren. So kam es, dass sie sich nach 15 Jahren Ehe von mir trennte. In den letzten Jahren hat sie sich immer kritischer mit ihrer freikirchlichen Prägung auseinandergesetzt – ein Prozess, den ich gut nachvollziehen kann.
War es also eine „falsche“ Entscheidung, dass wir geheiratet haben? Nein. Heute sehe ich vieles nicht mehr in Schwarz und Weiß. Ich bin dankbar für die schönen Jahre, die wir gemeinsam hatten. Und auch wenn wir kein Paar mehr sind, verbindet uns noch immer eine sehr wertvolle Freundschaft.
Und jetzt stehe ich vor einem neuen Date – und plötzlich sind sie wieder da: Diese inneren Stimmen. Nur ist die Frau diesmal nicht freikirchlich. Und da meldet sich mein innerer Antreiber, dieser alte Glaubenssatz: „Du darfst dich nicht auf eine „ungläubige“ Frau einlassen.“ Gleichzeitig flüstert mein Herz: „Wage es. Öffne dich. Lass die alten Muster los.“Und genau das ist mein Ziel: Mich von dieser Schwarz-Weiß-Prägung zu lösen – Schritt für Schritt. Und wünsche es allen, die sich darin wiederfinden!
/ anonym
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