Als Kind war es simpel, Erklärungen für komplexe Sachverhalte zu finden. Ich fragte einfach meine Eltern und die erklärten mir, dass es Christ_innen gibt und Nichtchrist_innen. Dass manche Menschen mit Gott leben und andere nicht. Für mich gab es nichts dazwischen. Ich war selbstverständlich auf der Christ_innenenseite. Auf jede komplexe Frage gab es eine simple Antwort. Selbst auf die Theodizee-Frage, der ich mich in meiner Abschlusspräsentation im Fach Religion widmete. Die Welt ist dem Leid ausgesetzt. Leid kann ich durch meinen Glauben an Jesus Christus fernhalten. Und das geht am besten durch Passivität. Ich hielt mich zurück, was meine Hobbys anbetrifft. Ich hielt mich zurück, was meine Freundschaften anbetrifft. Und ich hielt mich zurück, wenn es darum ging, mich um mich selbst zu kümmern. Dafür hatte ich ja Gott.
In der Blüte meiner Jugend blühte leider auch meine Akne heftig auf. Leid. Ich sah es als etwas, dass Gott schon mit der Zeit regeln würde. Je länger die Akne andauerte, desto mehr zog ich mich zurück. Die Akne – meine offensichtliche Wunde. Jeder durfte es sehen: Ich kann nicht für mich selbst sorgen. Aber vor mir selbst gab ich es immer noch nicht zu. Ich hatte doch Gott, der schon dafür sorgt, dass es nicht so schlimm wird. Leid? Mach die Augen einfach zu.
Und es wurde schlimmer. Und es wurde zu einer Gewohnheit. Langsam gewöhnte ich mich an den Gedanken. Ich kann mich nicht um mich kümmern. Ich versuchte, dagegen anzugehen, aber es war bereits zu spät: Der Glaubenssatz saß tief.
Eine einfache Erklärung für einen komplexen Sachverhalt. Meine Haut versuchte mir etwas deutlich zu machen: Übernimm Verantwortung für dein Leben!
Aber so lange hörte ich nicht auf meine Haut. Ich lief wie mit einer offenen Fleischwunde herum und fühlte mich unwürdig und dreckig.
Erst mit der Geburt meiner Tochter änderte sich dieser Sachverhalt drastisch. Ich wuchs über mich hinaus und erkannte: So wie ich für meine Tochter sorgen kann, kann ich auch für mich sorgen. Wie möchte ich mein Leben gestalten? Was bin ich – was darf gehen? Je älter meine Tochter wurde, desto mehr fand ich meinen neuen Fokus: Mein Wohlbefinden. Und dafür war ich – genau wie bei meiner Tochter – sehr wohl in der Lage!
Die Akne durfte gehen. Sie tritt zwar immer wieder auf, meine Haut bleibt empfindlich. Aber ich weiß jetzt, wer dafür verantwortlich ist. Und welches Geschenk mir meine Haut damit macht: Meine Haut erinnert mich daran, dass ich meinen Job gut machen soll: „Kümmere dich um dich selber!“
anonym
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