Alle Wege führen nach Rom?

Beim Surfen im Internet bin ich auf einen für mich interessanten Bericht gestoßen: Dort war ein Auszug aus einem Buch über die Zeugnisse von Konvertiten zu lesen. Eine geborene Katholikin hat sich als junge Erwachsene auf Sinnsuche gemacht und sich dabei mit anderen Religionen beschäftigt. Sie hat die Bibel gelesen und sich unter anderem mit Buddhismus, Islam, Hinduismus und dem  mormonischen Glauben  auseinandergesetzt. Dann erzählt sie von dem Moment, in dem sie ein bestimmtes Buch in die Hände bekam. Es war für sie wie eine Erleuchtung, wo sie auf einmal das Gefühl hatte: Das, was da steht, ist das, was ich schon immer geglaubt habe und hier hat jemand Worte dafür gefunden.

Ich war fassungslos! Wie konnte Gott zulassen, dass jemand bei einem anderen Buch – einer anderen Schrift als der Bibel – so etwas empfindet?! Sie hat doch ehrlich nach der Wahrheit gesucht, hatte die Bibel in der Hand und dann das? Mir wurde beigebracht, dass nur die Bibel diese Macht hat.

Erst da wurde mir bewusst, wie sehr alles, was mir in der Kirche erzählt wurde, gefiltert war. Ich kannte nur bewegende Geschichten und lebensverändernde Zeugnisse von Menschen, die zur mir bekannten Version des Christentums konvertierten. Uns wurde keine Statistik vorgelegt, in der erklärt wurde, wie viel Prozent der Menschen in der Religion bleiben, in die sie hineingeboren wurden, wie viele von A nach B, von B nach C und von C nach A konvertieren.

Die Frage, warum rein zufällig genau die Religion, in die ich hineingeboren wurde, die einzig Wahre und Richtige sein soll, hat mich schon immer beschäftigt. Je mehr ich gesucht und mir Geschichten von anderen Menschen und deren Erfahrungen angeschaut habe, desto mehr habe ich gemerkt, mit wie viel Herzblut die meisten religiösen Menschen ihre Religion für die einzig wahre und richtige Religion halten. Alle haben ihre Beweise, warum sie recht haben. Alle haben Geschichten von Wundern, Heilungen und irren „Zufällen“, die so unwahrscheinlich und wundervoll sind, dass sie nur mit Gottes Führung zu erklären sind. Gott zu erleben und seinen tiefen Frieden in unerträglichen Lebenssituationen zu fühlen – all das habe ich immer als exklusiv empfunden. Das haben nur „wir“ – so wurde es mir beigebracht: Aber auf einmal sah ich, dass das so viele erleben, nur habe ich in meiner evangelikalen Blase natürlich nie davon gehört.

Wenn Menschen mich heute fragen, was ich Christ:innen antworte, die sagen, sie haben Gott erlebt und wissen deshalb, dass sie „die Wahrheit“ gefunden haben, dann sage ich ihnen, dass ich ihnen glaube, was sie erlebt haben, genauso wie ich jeder und jedem Mormonin und Mormonen, Muslima und Moslem, Jehovas Zeugin und Zeugen und Hindu glaube, wenn sie oder er mir von ihrer oder seiner Erfahrung mit Gott erzählt. Ich glaube, dass es etwas Göttliches gibt und dass es erlebbar ist. Aber ich glaube nicht mehr, dass eine bestimmte religiöse Richtung den alleinigen Wahrheitsanspruch für sich erheben kann.

Stefanie

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