Das Buch verändert nicht

Man hat mir ein Buch geschenkt. Eigentlich war das mehr eine Sammlung von Büchern, welche in einem Buch zusammengefasst wurden. Mir wurde gesagt, in diesem Buch finde ich das Leben! Weiterhin alles, was über mich, die Welt und über Gott bekannt ist, weil das Buch direkt von Gott kommt. Wie bei jedem Buch habe ich von vorne angefangen zu lesen. 

Dort war zu Beginn von einer Schöpfung und einer weltweiten Flut zu lesen. Kurz, woher die Welt und die Menschen kommen und warum wir so sind, wie wir sind, und wo das Böse herkommt. Ich habe mich und andere gefragt: Ist das wirklich so geschehen? Warum widersprechen meine wissenschaftliche Beobachtungen in der Welt diesen Berichten? Mir wurde gesagt, das ist alles eine bildliche Sprache. Das müssen wir poetisch verstehen. Hier spricht ja Gott nicht direkt und deshalb ist das auch nicht entscheidend, wie wir das verstehen. 

Ich habe weiter gelesen. Über Gebote Gottes, Aufträge Gottes und Ansprachen Gottes. Ich habe mich und andere gefragt: Warum ist es ok, Sklaven zu haben und diese zu schlagen, aber es ist nicht ok, Krabben zu essen? Warum ist Gott sauer, weil man nicht alle Männer, Frauen und Kinder mitsamt den Haustieren vernichtet? Mir wurde gesagt: So waren die Leute halt. Das war damals die Kultur. Das wurde als gerechte Strafe angesehen. Und gleichzeitig erklärte man mir: Das war eigentlich gar nicht so, wie das beschrieben ist, das hier ist nicht wortwörtlich zu nehmen. Das waren die Gesetze für das Volk Israel. Das war der alte Teil. Das gilt nicht mehr. Lies mal den neuen Teil. Das, was dort steht, ist jetzt für uns relevant.

Im neuen Teil las ich von einem Mann, der viel herumgereist ist und gepredigt hat und dann getötet wurde. Ihm folgte ein anderer Mann, der sich von dem ersten inspirieren ließ und viele Briefe geschrieben hat. In denen standen solche Dinge drin,  wie z. B. dass Sklaven ihren Herren dienen sollten, Frauen schweigen müssten und grundsätzlich den Männern untergeordnet seien und andere merkwürdige Aussagen. Das alles möchte Gott so und der habe es ihm offenbart. Ich fragte mich und andere, ob das wirklich das ist, was Gott von uns möchte und warum sich die Nachfolger des Buches nicht daran halten. Mir wurde gesagt: Das sind Aussagen von Menschen. Das sind unnötige Lasten, die Menschen sich auflegen. Wirklich relevant ist, was der erste Mann gesagt und gepredigt hat.

Warum ist das so relevant, fragte ich die Nachfolger des Buches. Dieser Mann, sagten sie, ist der Sohn Gottes. Er liebt uns und hat deshalb die Strafe Gottes auf sich genommen, um uns zu erretten. Um ein guter Mensch zu werden, musst du an Ihn glauben. Wenn man es nicht tut, wird man ewig leiden. Ich fragte mich und andere, warum gerade dies in dem Buch stimmen soll und nicht poetisch, geschichtlich oder als persönliche Meinung von einzelnen Menschen gesehen werden kann. Der Glaube daran, sagte man mir. Ein besonderer Geist wird es dir offenbaren. Du musst dich dafür öffnen und weiter in dem Buch lesen. 

Ich öffnete mich. Ich las mehr in dem Buch. Ich sprach mit andern Glaubenden darüber. Ich versuchte, daran zu glauben. Doch es geschah nichts. Im Gegenteil, langsam merkte ich, ich kann ein besserer Mensch werden als die Menschen und die Gebote und der Gott in dem Buch. Das Buch verändert nicht. Der Mensch bleibt gleich gut oder schlecht, egal ob er dem Buch folgt oder an den besonderen Mann glaubt oder nicht. Ich brauche das Buch nicht, um ein besserer Mensch zu werden. Endlich fand ich das Leben und wer ich wirklich bin. Jedoch anders, als man gedacht hat, als mir das Buch überreicht wurde.

Anonym

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