„Dein Leben im Himmel wird dein Leid auf Erden aufwiegen“

Unfrei

Schwarz und weiß.

Hell und dunkel.

Wahrheit und Lüge.

Richtig und falsch.

Nur zwei Seiten. Etwas anderes gab es nicht. Eine Meinungsverschiedenheit, das wurde als Angriff oder Glaubenszweifel verstanden. Man lässt dich gar nicht ausreden oder fertigt dich mit „Nur Gott kennt den Weg“ ab. 

Das WWJD-Bändchen am Handgelenk sollte uns bei jeder persönlichen Entscheidung darin erinnern, die Frage zu stellen: Was würde Jesus (an meiner Stelle) tun?

Eine Entscheidung treffen zu meinem Wohle? Das stand nicht an erster Stelle, nie. Wenn dich jemand mies behandelt, dann segnest du sie oder ihn im Stillen, denn das war es, was Jesus getan hätte. Was aber, wenn du ein Kind bist und ein natürliches Bedürfnis danach verspürst, dazugehören zu wollen? Von anderen Kindern gemocht zu werden? Du lernst nicht, für dich einzustehen und Grenzen zu setzen wenn nötig. Und wer keine Grenzen hat, die oder der ist anfällig für Missbrauch und Ausnutzung.

Du lernst nicht, dich zu verbinden. Vielleicht bleibst du allein unter Menschen, ein:e Außenseiter:in, ein:e Sektengänger:in mit Jesuslatschen. Du lernst stattdessen, dass dieses Leben auf der Erde nicht dein richtiges Leben ist, du lernst Leid viel zu lange auszuhalten. Jesus musste schließlich am Kreuz so viel mehr erleiden, als du.

Gott hat nach deinem Tod auf Erden etwas viel besseres für dich. Er wird dich belohnen. Du wirst im Himmel eine goldene Wohnung erhalten, ein Leben in Friede und Freude. Es gibt keine Kriege, Krankheiten und kein Leid mehr. Er wird deine Tränen trocknen. Man wird Jesus gemeinsam feiern und anbeten. Dein Leben im Himmel wird dein Leid auf Erden aufwiegen, hieß es. All das wurde über die Jahre gebetsmühlenartig proklamiert.

Wir sollten also für ein Leben nach dem Leben leben. Ein bewusstes Leben im Moment, das gab es nicht. Und das war auch nicht das Ziel. Ich war so unfrei, dabei beteuerte man ständig, dass Jesus uns „freimachen“ würde. Dieses Leben konnte und wollte ich so nicht mehr leben. Erst jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt, frei zu sein.

anonym

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