Der Kampf gegen mich selbst

Contentwarnung: In diesem Text wird selbstverletzendes Verhalten thematisiert.

Ich wurde in das System der Freikirche hineingeboren und das bedeutete, ich war von klein auf darauf konditioniert worden, gegen das „Mensch sein“ zu kämpfen… Ich kämpfte gegen mich selbst. Gegen meine Gedanken, gegen meine Gefühle, gegen das Leben, das um mich herum stattfand. Der Teufel war in Gestalt des Bösen überall vertreten – es galt ständig alles zu überprüfen, sich selbst in Frage zu stellen.

Stundenlang betete ich um Vergebung, was sich zu einem Zwang in Endlosschleife entwickelte. Für Fehler begann ich mich körperlich zu bestrafen. Ich versuchte so sehr, richtig zu sein, dass ich mich mit jedem Tag weiter von Gott entfernte. Verzweifelt versuchte ich, ein Leben zu führen, das nicht meines war. Und als ich wirklich Hilfe brauchte, weil ich keinen Ausweg mehr sehen konnte, brach das Kartenhaus in sich zusammen. Um mich selbst zu retten, musste ich mich von der Kirche verabschieden. Und dann kam der überwältigende Schmerz, die Wut und die Trauer…

Langsam begann ich zu verstehen.

Immer wenn ich glaube, alles verarbeitet zu haben, merke ich, wie das Trauma wiederkommt, wie sich diese Glaubensmuster doch wieder einschleichen. Wie ich mich selbst mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen nicht ernst nehme, weil ich sie nicht für wahr oder wichtig halte. Ich mal wieder über meine Grenzen gehe und glaube, nur dann Liebe und Anerkennung verdient zu haben, wenn ich Leistung bringe.

Und dann muss ich einen Schritt zurück gehen und mich daran erinnern den „Kampf-Modus“ nicht gegen mich, sondern für mich zu nutzen. Mich daran erinnern,  dass meine innere Wahrheit von Bedeutung ist, dass mein Wohlbefinden wichtig ist, dass ich mir und meinen Gefühlen trauen kann. Dass ich richtig und geliebt bin. Dass ich weder als Sünder*in geboren wurde, noch dass ein junger Mann meinetwegen gefoltert und an einem Kreuz hat sterben müssen.Dass ich ganz einfach nicht leiden muss, um leben zu dürfen und dass ich mir das Leben nicht verbieten muss!

Mari

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