Mein Herz ist mir mein Kompass – Religiöses Trauma

Manchmal frage ich mich, wo ich heute stehen würde, wer ich wäre und was ich glauben würde, wäre es mir erlaubt gewesen, mich in meinem eigenen Tempo Religion und Spiritualität annähern zu dürfen – geleitet von meinem eigenen Hunger, meiner eigenen Neugier und meinen Fragen.
 
Würde ich mich heute mit einer Religion identifizieren können?
Würde ich an einen Gott glauben (können)?
Würde ich an ein Leben nach dem Tod glauben?
Hätte ich Urvertrauen in etwas Großes, Gutes?
 
Noch bevor sich eigene Fragen überhaupt bilden konnten, war mir schon so viel Angst vor der Hölle und „ewiger Verdammnis“ gemacht worden, dass ich von gar nichts anderem mehr hören wollte als dem einen Weg, der mich davor beschützen würde.
 
Sie nannten diesen Weg eine „lebendige Beziehung mit Jesus“ und zwangen mich in eine romantisch anmutende Beziehung mit ihrem Gott, den ich viele Jahre meines Lebens Retter, Erlöser und die Liebe meines Lebens nennen würde. Meine ganze Identität war verwoben mit diesem Glauben, mein Leben und Denken durch und durch von ihm bestimmt. Der Tod um dieses Glaubens Willen schien mir sicherer, als auf dieser Erde älter als 30 Jahre werden zu dürfen. „Endzeit“ und „Ehre“ nannten sie das… heute sehe ich nur mehr meine kindliche Angst und das Versagen der Erwachsenen, uns anstelle von Geborgenheit einen solchen Glauben zu vermitteln.
 
Ich glaubte, all das würde mich „freimachen“, lange bevor ich verstehen konnte, dass Menschsein keiner Erlösung bedarf und dass Liebe mit „Liebe mich oder brenne ewig in der Hölle“ nichts zu tun haben kann.
 
Ich frage mich, ob das mulmige Bauchgefühl und der sofortige Reflex „Nie wieder!“ beim Thema Religion wohl je wieder verschwinden werden. Ich weiß, dass Glaube gesund sein kann, sehe seine Schönheit bei vielen Menschen in meinem Umfeld. Doch mich hat er so krank gemacht, dass ich mir Distanz zugestehen muss, um von den Extremen meiner Vergangenheit zu heilen.
 
Falls eines Tages wieder Neugier und Hunger zum Vorschein kommen, weiß ich nur eines: dass ich mir den Weg nicht mehr von Märchen über einen Teufel oder ewiger Strafe vorgeben lassen werde. Die Angst davor ist verblasst, und mit ihr das Bedürfnis, an einen Ort zu gelangen, den ich nur aus Erzählungen anderer kenne, oder nach einem Jenseits zu haschen, so als wären das Hier und das Jetzt nicht bedeutungsvoll genug.

Und so ruhe ich jetzt einfach mal da, wo ich bin. Heile. Ohne Angst, hier und so wie ich bin falsch zu sein, ohne Hast, mich überhaupt auf den Weg machen zu müssen.


Mein Herz ist mir mein Kompass, mein Hier und Jetzt immer genug.

Sarah

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