Ohne Gott bleibt nichts mehr von mir übrig

Letzten Oktober bin ich von Zuhause weg zum Studieren in eine andere Stadt gezogen. Mit meiner Mitbewohnerin war ich direkt auf einer Wellenlänge. So hat sich meine erste tiefere Freundschaft mit einer Atheistin entwickelt (vorher hatte ich eigentlich nur christliche Freundschaften). Da sie sehr an Theologie und Philosophie interessiert ist, haben wir stundenlang über meinen Glauben geredet und sie hat mir viel zugehört und Fragen gestellt. Ich dachte: „Mega, es war noch nie so einfach, das Evangelium zu verkünden! Vielleicht kann ich sie von meinem Glauben überzeugen.“ Dabei hat aber immer die Angst mitgeschwungen, dass ich sie an die Hölle verlieren könnte, wenn sie nicht auch irgendwann gläubig wird. 

Doch irgendwie ist dann alles anders gekommen. Durch unsere Gespräche habe ich viele Aspekte meines Glaubens nochmal reflektiert und musste erschreckenderweise feststellen, wie viel ich einfach nur aus meinem Umfeld übernommen habe, ohne es jemals zu hinterfragen.

Das Ganze hat dann neulich darin gegipfelt, dass ich vor ihr plötzlich angefangen habe zu weinen. Ich habe ihr gesagt, dass ich solche Angst habe, dass es Gott vielleicht doch gar nicht gibt, ich einfach nur naiv war, mein Leben lang belogen wurde und dass ich ohne ihn keinen Lebenssinn mehr hätte. Mein Glaube ist so ein großer Teil meiner Identität, dass ohne ihn von mir nichts wirklich übrig bleiben würde. Es hat meine Mitbewohnerin echt einige Nerven und Geduld gekostet, mich wieder etwas zu beruhigen und mir zu versichern, dass mein Leben (selbst falls es Gott nicht geben sollte) nicht direkt zu Ende wäre und ich mehr bin als nur mein Glaube.

Eigentlich ist meine Reaktion aber auch kein Wunder. Mein Leben lang war es immer mein Ziel, dass ich weniger werde, sodass Gott in mir zunehmen kann. So hatte ich es gelernt, ohne jemals die mögliche Problematik hinter einer solchen Denkweise zu sehen, falls ich irgendwann mal an meinem Glauben zweifeln würde. 

Dann habe ich überlegt, dass meine wahre Angst wahrscheinlich gar nicht ist, dass es Gott nicht gibt (das wäre zwar auch schmerzhaft, aber ich würde wohl irgendwie klarkommen) – ich habe viel mehr Angst, dass es Gott doch gibt und ich hier gerade sehr viel Mist baue.

Es ist immer noch ein ständiges Auf und Ab. An manchen Tagen habe ich das Gefühl, es gibt Gott wirklich nicht und an anderen bin ich plötzlich doch wieder sehr von seiner Existenz überzeugt. Es fällt mir schwer, diese Ungewissheit auszuhalten.

Aber ich sage mir einfach, dass es auch mal okay ist, in dieser Unsicherheit zu leben, selbst wenn das vielleicht gerade schwierig erscheint. Ich muss nicht immer eine Antwort auf alles haben. Ich vertraue einfach darauf, dass das mit der Zeit schon irgendwie wird. Wenn es Gott nicht gibt, hoffe ich, irgendwann loslassen zu können und einen neuen Lebenssinn zu finden. Und wenn es ihn doch gibt, wird er sich mir schon zeigen und ich werde die Gelegenheit haben, ein für mich gutes Gottesbild zu finden.

Aber so oder so brauche ich einfach noch einige Zeit zum Nachdenken…

anonym

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