Contentwarnung: In diesem Text wird Physische Gewalt gegenüber Kindern in der Familie thematisiert.
Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er schlägt mit der Rute jeden Sohn, den er gern hat. (Hebräer 12, 6 – Einheitsübersetzung)
Gehorsam.
Über allem steht der Gehorsam.
„Warum hast du mich als Kind so hart geschlagen?“, habe ich gefragt, als ich schon erwachsen war. Empörte Antwort: „Es war meine Aufgabe, einen gehorsamen, anständigen Menschen aus dir zu machen!“
In dem Land in dem ich aufgewachsen bin, habe ich erlebt, dass eine gewaltvolle Erziehung von Kindern selbstverständlich war. Als Teenager hatte ich dann eine völlig überraschende Gotteserfahrung und Hinwendung zum Glauben. Vor dieser Erfahrung waren Freikirchen für mich Sekten, aber nach ersten Berührungspunkten wurde ich wie magisch davon angezogen.
Richtig – falsch. Schwarz – weiß. Kind Gottes – Kind des Teufels. Gehorsam und Himmel – Ungehorsam und Hölle.
Gehorsam.
Über allem steht der Gehorsam.
Gott schlägt dich und bricht deinen Willen, damit macht er dich gehorsam.
Immer wieder ging ich zur Seelsorge, weil es mir schlecht ging.
„Gott will, dass es dir schlecht geht, damit du zu ihm kommst. Wenn es dir gut ginge, dann würdest du ja nicht zu ihm kommen, sondern dein egoistisches Leben leben. Sei Gott dankbar, dass es dir schlecht geht. So wie die Nägel in die Hände und Füße Jesu geschlagen wurden, so schlägt Gott dich auch mit Schmerzen. Jeder Schlag bringt dich näher zu ihm, wenn du gehorsam bist und dich nicht abwendest.“
Der Wille der Täter und der Wille Gottes wurden hiermit vereint. Gott schlägt mich und will mich brechen, damit ich gehorsam werde, ja das kannte ich gut. Den Köder habe ich komplett geschluckt.
Und bloß keine Psychotherapie. Dahinter verbirgt sich der Satan.. Wenn man zur Therapie geht, fällt man vom wahren Glauben ab. Die Psychotherapie und die historisch-kritische Bibelauslegung sind vom Teufel, wenn man sich darauf einlässt verliert man den echten Glauben.
Aber irgendwann ging es nicht mehr und es ging fast schief. Durch einen sehr guten Therapeuten und nach über zehn Jahren Behandlung kam ich auf einen guten Weg. Die letzte Bastion, die fallen musste, war dieses kaputte Weltbild mit seiner kranken Lehre, und es fiel als letztes. Die Dekonstruktion war unausweichlich und alles andere als einfach.
Ich war schon seit Jahren aus dem evangelikalen Milieu raus, aber das Weltbild hielt sich hartnäckig.
Mein Weltbild ist komplett in sich zusammengebrochen, der Glaube ist als Geschenk geblieben. Kein konstruierter Gehorsam mehr, der über Druck und Gewalt eingefordert wird.
Und ob es einen Gott gibt oder nicht, ob man glaubt oder nicht, es gibt nur noch eine Sache die immer mehr Sinn für mich macht:
Die Liebe.
Über allem steht die Liebe.
anonym
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