Hineingeboren in eine baptistische Gemeinde, wurde ich 24 Jahre lang in verschiedenen Gemeinden und Zuhause indoktriniert. Der Mensch ist von Natur aus Sünder, Jesus ist die Rettung, Himmel, Hölle, Reinheit… Das volle Programm. Aber irgendwann schlich sich das Gefühl ein, dass irgendwas an all dem nicht stimmen kann. Ich war immer traurig, betrübt, schon fast apathisch. Irgendwie hatte ich keine Motivation, irgendwas mit meinem Leben und Alltag anzufangen. Denn alles, was ich hätte tun sollen, hätte ja für „den Herrn“ sein müssen. Aber tief in mir hatte ich keine Lust darauf. Viel lieber hätte ich wie „die Sünder“ gelebt. Mit Freude am Leben, wie mir schien. Auf Konzerte gehen, tanzen gehen, Menschen küssen, Hobbys haben, unterwegs sein – für mich, nicht für Jesus.
So trennte ich mich von meinem Partner, der Pastor war. Ich konnte mir kein Leben als Pastorenfrau vorstellen. Zumal ich selbst Pastorenkind bin und wirklich wusste, was das bedeuten würde. Ich nahm mein Leben in die Hand. Ich veränderte alles. Meine Freund:innen, meinen Körper, meine Freizeitgestaltung. Alles jetzt ohne Gott. Das war nicht leicht. Ich spielte noch lange Versteckspiel für meine Familie. Ich dachte, sie könnten die Wahrheit nicht ertragen. Und auch mir selbst gegenüber war das nicht leicht. Oft plagten mich Ängste und alte Glaubenssätze. Es überwog aber mein Unverständnis darüber, wie man Kindern so grausame Sachen beibringen konnte, wie ich sie gelernt hatte: Man sei von Natur aus böse, Sünder:in. Nur Gott wäre die Lösung für alles. Er sehe außerdem alles… die Liste ist noch viel länger.
Heute sind ca. fünf Jahre vergangen und ich kämpfe mehr denn je gegen die „alte Caro“ an. Die Caro, die nichts wert ist, weil sie eine Sünderin von Geburt an ist. Die Caro, die schuld daran ist, wenn ein Mann sie anziehend findet. Die Caro, die sich nicht wehren darf, sondern die andere Wange hinhalten soll. Die Caro, die sich erniedrigen soll, anstatt stolz auf sich zu sein. Die Caro, die ihre Familie glücklich und stolz machen möchte, lieb und brav sein muss. Die Caro, die beobachtet wird, von Gott und den Eltern.
Seit einem Jahr kämpfe ich gegen Panikattacken und viele seltsame Ängste. Noch eine Nachwirkung meines alten Hirns, das mir ständig sagt, ich sei in Gefahr. (Keine Sorge, ich bin in Therapie)
Der Weg aus dem Alten raus ist nicht leicht, aber nie, niemals würde ich zurückgehen wollen. Niemals würde ich zurück in diese apathische Ohnmacht gehen wollen. In dieses Gefühl, ein kleines, unbedeutendes Opfer der Umstände zu sein, das Jesus dient, indem es zuhause sitzt, die Bibel liest und versucht, keine Sünde zu begehen, dabei scheitert und sich dann noch erbärmlicher fühlt.
Die Caro heute trägt Verantwortung. Für ihr Leben, ihre Gedanken und ihre Gefühle. Und sie rechtfertigt sich nicht vor einem Gott, sondern vor sich selbst.
Caro
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