Contentwarnung: In diesem Text werden Hölle und Gewalt in der Familie thematisiert.
Ich hatte eine Diskussion über die Hölle. Die Denke ist ja ungefähr so, dass die Menschen grundsätzlich in der Hölle landen würden, weil sie nicht perfekt sind und weil Gott alles Nichtperfekte nicht ertragen könne, weil er selbst perfekt sei (in ihrer Sprache: heilig). Und nur, weil Jesus unsere Strafe durch einen extrem qualvollen Tod auf sich genommen hat, kann Gott uns überhaupt erst ertragen und lieben.
Ich glaube, ich muss nicht mehr betonen, dass ich es lange genug selber geglaubt hab, einerseits unreflektiert, weil ängstlich, durch kritische Fragen vom Glauben abzufallen und Gottes Liebe zu verlieren, andererseits deshalb auch aus Mangel an Alternativen. Wenn ich also Leute bashen wollen würde, die das so glauben, würde ich mich auch gegen einen Teil von mir selbst richten. Trotzdem sehe ich diese Art Glauben als sehr problematisch und potentiell gefährlich für ein gesundes Seelenleben und eine gesunde Entwicklung.
Man muss ja immer im Hinterkopf haben, dass man es mit einem Gott zu tun hat, der Leute einfach in eine ewige Folterkammer schickt (nichts Anderes ist die Hölle ja). Und man bleibt nur deswegen davon verschont, weil jemand Anderes, der gar nichts dafür kann, brutal gefoltert und getötet wurde. Und nur in einer konstanten Verbindung mit dieser Person hat man eine Chance bei Gott, was die einzige Alternative zur ewigen Folterkammer ist. Jetzt muss man beide lieben um zu überleben. Gleichzeitig trägt man praktisch die Verantwortung dafür, anderen Leuten dieses Denken so zu vermitteln, dass sie es genauso glauben, weil die sonst in der Folterkammer landen und man selbst möglicherweise noch mit, weil man sie ihrem Schicksal überlassen hat. Das führt doch in eine Enge, die Ängste, Zwänge und missbräuchliches, übergriffiges Verhalten nicht nur fördert, sondern in krassen Gruppen auch zwangsläufig zur Folge hat.
Also es heißt ja, dass wir als Christ:innen die Kinder Gottes sind. Und weil sich die, die so glauben, als Christ:innen bezeichnen, sehen sie sich, zusammen mit dem Gott, den ich oben beschrieben habe und dem Jesus, den ich oben beschrieben habe, als eine Familie. (Ja, ich weiß, dass es im christlichen Glauben nur einen Gott gibt, ich schreibe das hier einfach so um klar zu machen, dass dieses Gottesbild eben die Realität von vielen Leuten ist.)
Jetzt stelle man sich mal eine Familie vor, in der der Vater so handelt wie hier Gott: Bei jedem kleinen Fehler eines Kindes fängt er an zu eskalieren und ist drauf und dran, auf das Kind einzuschlagen und es brutal zu misshandeln, aber immer kommt der große Bruder dazwischen und stellt sich zwischen das verängstigte Kind und den Vater, der die Fehler des Kindes nicht ertragen kann und bekommt die Schläge ab. Und dann sagen der Vater und der große Bruder dem Kind, dass beide das aus Liebe zu dem Kind getan hätten, der Vater alles Recht dazu hatte, so zu reagieren und es die Schuld des Kindes sei, weil der Vater es nicht ertragen könnte, dass das Kind nicht so perfekt ist wie der Vater. Und das Kind muss jetzt beiden dankbar sein und darf das bloß nie vergessen, was der große Bruder hier getan hat. Das Kind soll zwar von seiner Familie bei anderen erzählen, aber bloß nur so, dass es eine total liebevolle Familie ist und es dem Kind in jeder erdenklichen Weise besser geht als allen anderen Kindern, damit alle anderen Kinder auch in diese Familie wollen. Denn sonst würde der Vater alle FreundInnen des Kindes totschlagen. Und wenn das Kind aus der Familie raus will, wird der Vater es auch totschlagen.
VERDAMMT NOCH MAL, ERNSTHAFT?
Muss ich ernsthaft noch erklären, was mich an diesem Gedankenkonstrukt stört? Wenn auch nur ein Bruchteil dessen in einer menschlichen Familie passieren würde, wären die Kinder schneller in Pflegefamilien als man Satisfaktionslehre sagen kann. Und das zurecht.
Also ich möchte das nicht. Ich möchte, dass Gott tatsächlich so ist wie ein guter Vater. Der Kinder nicht dafür bestraft, dass sie Fehler machen, sondern ihnen hilft, aus den Fehlern zu lernen. Der sie nicht unter Druck setzt, ihn zu lieben, sondern ihnen die Freiheit lässt, ihn zu lieben oder auch nicht. Der aber auch dann, wenn die Kinder sich von ihm entfernen immer für sie da ist, wenn sie ihn brauchen. Der einfach treu ist. Der ihnen einfach etwas zum Geburtstag oder zu Weihnachten schenkt ohne Bedingungen, dass sie auch ja vor allen damit angeben müssen, was sie für einen tollen Vater haben. Und der es auch aushalten kann, wenn sich ein Kind mal nicht über das Geschenk freut. Der sich entschuldigen kann, wenn dem Kind durch ihn Leid zugefügt wurde. Der nicht auf Biegen und Brechen immer recht haben muss. Der die Kinder ernst nimmt, ihnen Radfahren und Schwimmen beibringt, mit ihnen streitet und auch mal Konsequenzen aufzeigt, aber auch mit ihnen diskutieren und ihre Meinungen ernst nehmen kann. Der die Kinder mitbestimmen lässt. Der sie beschützt, aber auch die Folgen ihres Tuns spüren lässt, sie nicht in Watte packt. Ich glaube, bei einem solchen Vater sind Kinder gut aufgehoben. Da können sie sich gesund entwickeln und gesunde, stabile Erwachsene werden, die selber andere heilen und stabilisieren können.
Ich möchte glauben, dass Gott so ungefähr ist.
Bithya
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