Unsere frühere Welt

Ich sitze mit einer guten Freundin zusammen und wir reden. Über Gott und unsere frühere Welt, in der wir so nicht mehr leben können und wollen. Über das Konzept von Sünde (bei dem sich mir inzwischen die Haare aufstellen) und wie oft wir uns schuldig gefühlt haben.. Wir reden darüber, wie gut es sich anfühlt, sonntags auszuschlafen statt in den Gottesdienst zu gehen. Und über Sexualität und wie wir uns wünschen, wir hätten die Freiheit gehabt, diese zu entdecken, anstatt mit dem Purity-Ideal erzogen worden zu sein.

Unsere frühere Welt erschien uns damals so sinnhaft, heute macht sie uns wütend. Sie versprach Freiheit und doch müssen wir uns heute von vielem befreien.

Wir reden über Gott und unsere heutige Welt, von der wir früher immer etwas Abstand gehalten haben und dass wir froh sind, heute mittendrin zu sein.

Ich sitze mit einer guten Freundin zusammen und wir reden immer noch. In all dem, was wir heute kritisieren und uns anders gewünscht hätten, all den negativen Folgen eines Weltbildes, das uns früher als stimmig und positiv erschien, all den „Do‘s and Don‘ts“… In all dem stolpern wir plötzlich über Positives, das wir erfahren haben.

An diesem Ort, an dem wir gesehen und wertgeschätzt wurden. An dem wir in unseren Fähigkeiten ermutigt und gefördert wurden. Wo wir wussten, wenn uns etwas auf der Seele brennt, können wir spätestens in der nächsten Kleingruppe darüber reden, weil gefragt wird, wie es uns geht. Ein Ort, der gefüllt war von ehrlichem Interesse, Freundschaft und Ankommen.

Wir wollen nicht zurück an diesen Ort und er fehlt uns auch nicht (obwohl doch: Das, was mir der Glaube gegeben hat, fehlt mir manchmal). Wir sind immer noch wütend wegen so vielem. Aber wir wollen nicht wütend bleiben. Wir wollen zu unserer eigenen – gläubigen oder nicht gläubigen oder anders-gläubigen – Haltung finden, uns darin wertgeschätzt wissen und gleichzeitig Menschen mit Haltungen aus unserer früheren Welt wertschätzen.

Anonym

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